Auf ihrem Kreuzzug für gefällige, aus ihrer Sicht einzig wahre Berichterstattung hat sich die GEZ, vertreten durch den Sender SWR, vor ein paar Tagen die “Süddeutsche Zeitung” vorgeknöpft.
Der SWR-Justitiar erklärte ein Zitat und damit eine Rechtsmeinung, des Düsseldorfer Rechtsanwaltes Udo Vetter (www.lawblog.de) für falsch – und forderte eine Korrektur des Textes. Dieser Fall hat mich selbst betroffen, denn der gedruckt wie online veröffentlichte Artikel der Autorin Monica Heimel über die GEZ und ihre Beauftragen stammte aus dem Themendienst von FINTEXT.de.
Es ging um folgende Aussage:
“Auch wenn die Beauftragten mitunter sehr amtlich auftreten und mit einem Ausweis wedeln: sie haben keinerlei hoheitlichen Befugnisse “, sagt Udo Vetter, Düsseldorfer Fachanwalt für Strafrecht. “Niemand muss sie für Kontrollen hereinlassen, nicht mal Fragen müssen beantwortet werden.”
Die GEZ schoss allein gegen die Online-Redaktion der “Süddeutschen”, also einen unmittelbaren Konkurrenten der Internetangebote von ARD und ZDF; die Print-Redaktion blieb verschont.
Der SWR-Justitiar schrieb der Redaktion im Wortlaut Folgendes:
Sehr geehrte Frau XXXXXXXXXXX,
unter Bezugnahme auf das mit Ihnen geführte Telefonat möchte ich Ihnen mitteilen, dass in dem Artikel “Verdächtiges Flimmern” zwei falsche Tatsachenbehauptungen enthalten sind: Zum einen heißt es dort, “die Rundfunkgebührenbeauftragten haben keinerlei hoheitliche Befugnisse”. Dies ist falsch: Gemäß § 4 Abs.7, 5 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) in Verbindung mit § 10 der Satzung des Südwestrundfunks nehmen die Gebührenbeauftragten Prüf- und Kontrollaufgaben für die Landesrundfunkanstalten wahr. Sie sind berechtigt, die erforderlichen Daten für die Anzeige von Beginn oder Ende des Rundfunkteilnehmerstatus gem. § 3
Abs.1 RGebStV entgegen zu nehmen und die in § 4 Abs.5 RGebStV festgelegten Auskünfte über Grund, Höhe und Zeitraum der Gebührenpflicht zu verlangen.Darüber hinaus gibt § 4 Abs.7, 5 RGebStV in Verbindung mit § 10 Abs.2 der Satzung des Südwestrundfunks ihnen das Recht, im Rahmen des Auskunftsverlangens gem. § 4 Abs.5 RGebStV auch die Vorlage geschäftlicher Unterlagen (insbesondere Inventarlisten) zu verlangen. Insgesamt verfügen die Gebührenbeauftragten damit über hoheitliche Befugnisse, die sie im Auftrag der Landesrundfunkanstalten ausüben. Weiter heißt es:”Nicht mal Fragen müssen beantwortet werden”. Auch dies ist falsch und ergibt sich aus dem Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 5 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (s.o.)
Wir bitten Sie dies in dem online gestellten Beitrag zu korrigieren und weisen darauf hin, dass wir künftig bei vergleichbar falschen Tatsachenbehauptungen auch unmittelbar rechtlich gegen die Süddeutsche Zeitung vorgehen werden.
Der SWR-Justitiar schrieb nicht: Wir haben eine andere Ansicht dazu, könnten Sie die bitte auch veröffentlichen?
Der GEZ-Vertreter forderte unmittelbar die Zensur eines Zitates, mithin die Veränderung eines urheberrechtlich geschützten Werkes.
Die Technik ist dabei ist m.E. perfide: Nach dem Wirbel um die gewünschte Zensur von Begriffen wie “GEZ-Fahnder” erklärt die GEZ nun (rechtliche) Meinungsäußerungen kurzerhand zu unwahren Tatsachenbehauptungen, selbst wenn es sich dabei um Zitate im Rahmen einer Berichterstattung handelt.
Die deutsche Justiz kann sich wahrscheinlich glücklich schätzen, dass sie von den Wahrheitsbeauftragen der GEZ noch nicht wegen unwahren Urteilen belangt worden ist. Das Verwaltungsgericht Stuttgart wäre ein Kandidat dafür wegen seiner unwahren Gesetzesinterpretation. Schrieb es doch 2003 in einem rechtskräftigem Urteil (Az: 3 K 1256/03, Hervorhebung von mir):
Der Beauftragte ist auch nicht als Beliehener mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Das wäre nur dann der Fall, wenn ihm durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes öffentlich-rechtliche Befugnisse übertragen worden wären (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Auflage, RNr. 58 zu § 1; BVerwG, Urteil vom 18.5.1995 – 7 C 58.94 -, BVerwGE 98, 273). Das ist nicht der Fall. Zwar ist in § 10 der Satzung des Beklagten bestimmt, dass die Beauftragten berechtigt sind, für den Südwestrundfunk die gesetzlich bestimmten Auskünfte zu verlangen und Anzeigen gem. § 3 Abs. 1 RGebStV entgegenzunehmen. Selbst wenn damit den Beauftragten hoheitliche Befugnisse übertragen worden sein sollten, fehlte es an der hierfür erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Aus der Bestimmung des § 4 Abs. 7 RGebStV, wonach die Landesrundfunkanstalten u.a. ermächtigt werden, Einzelheiten des Anzeigeverfahrens durch Satzung zu regeln, kann mangels Konkretisierung keine Befugnis des Südwestrundfunks zur Übertragung von Hoheitsrechten auf Private abgeleitet werden.
(2005 ist ein neuer Rundfunkstaatsvertrag in Kraft getreten, die Formulierung des § 4 Abs. 7 RGebStV blieb aber unverändert.)
Die mutige Justiz hat das Urteil sogar veröffentlicht.
Anwalt Udo Vetter hat mir erklärt, er werde weiterhin seine Rechtsansicht vertreten – und ich werde sie auch weiterhin zitieren. Wir glauben beide fest an die Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik, selbst wenn es um die Berichterstattung zur GEZ geht. Ergänzend schrieb Udo Vetter mir noch zu dem Thema:
…mit hoheitlichen Befugnissen ist doch ersichtlich gemeint: Sie haben als GEZ-Mitarbeiter vor Ort keine Möglichkeit, ihre “Ansprüche” durchzusetzen. Das heißt, sie können nicht, wie zum Beispiel die Polizei, Gewalt ausüben, Wohnungen betreten oder Bußgelder verhängen, wenn man ihnen einfach die Tür vor der Nase zuknallt.
“Befugnisse” bedeutet Handlungsmöglichkeit, und genau diese Handlungsmöglichkeit haben die Beauftragten vor Ort nicht. Ob die GEZ oder eine Gebührenanstalt vielleicht Auskunftsbescheide oder so erlassen kann (schriftlich mit der Möglichkeit zum Widerspruch) ist eine ganz andere Frage. Die Beauftragten vor Ort können es jedenfalls nicht.
Am Freitag hat, wie mir Udo Vetter sagte, eine andere große Zeitung ihn zum Thema GEZ befragt. Er habe den Redakteur darauf hingewiesen, dass er wegen des Zitates mit böser Post vom SWR rechnen müsse. Der Redakteur habe sinngemäß erwidert, davon lasse er sich nicht einschüchtern.