Wirtschaftskrise: Wer gefeuert werden darf und wer nicht

Das schwache Wirtschaftswachstum, hohe Energiekosten, hohe Zinsen machen immer mehr Firmen in Deutschland zu schaffen. Mitunter drohen unmittelbar Entlassungen. Aber wen trifft es dann als ersten?

Wo das Kündigungsschutzgesetz gilt

In Betrieben mit regelmäßig mehr als zehn Beschäftigen gilt für Mitarbeiter, die länger als sechs Monate angestellt sind, das Kündigungsschutzgesetz. Das bedeutet: Der Betrieb kann nur dann entlassen, wenn das “sozial gerechtfertigt” ist und ein Grund vorliegt. Ein Konjunktureinbruch reicht zumeist als Grund. Gekündigt wird dann “betriebsbedingt”. Ob ein Mitarbeiter aber konkret davon betroffen sein darf, hängt ab von der Sozialauswahl.

Der Arbeitgeber muss dafür Mitarbeiter mit vergleichbaren Tätigkeiten gegenüberstellen und nach sozialen Kriterien bewerten, wer am wenigsten auf den Job angewiesen ist. Das Alter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Unterhaltspflichten sowie eine eventuelle Schwerbehinderung sind dafür entscheidend. Hat der Arbeitgeber das nicht genügend beachtet, kann eine Kündigung vom Arbeitsgericht als unwirksam erklärt werden. Dafür muss innerhalb von drei Wochen Klage eingereicht werden.

Kündigung: Das gilt bei der Sozialauswahl

Tätigkeiten: Einzubeziehen sind grundsätzlich alle Mitarbeiter eines Betriebes mit vergleichbaren Tätigkeiten, nicht nur jene Abteilungen, in denen Jobs gestrichen werden sollen. Die tarifliche Eingruppierung gilt als ein Indiz dafür, welche Mitarbeiter vergleichbar sind. Entscheidend ist aber, wer ohne Änderung des Arbeitsvertrages die Tätigkeiten ausüben könnte. Wenn Arbeitnehmer weitgehend austauschbar sind, müssen sie in die Auswahl einbezogen werden.

Versetzungsrecht: Ein eng gefasster Arbeitsvertrag kann sich dabei als nachteilig erweisen, wie ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) zeigt: Darf ein Arbeitnehmer gegen seinen Willen nicht versetzt werden, müssen Mitarbeiter anderer Betriebsabteilungen auch nicht in die Sozialauswahl einbezogen werden, entschied das BAG (Az: 2 A ZR 142/99). Umgekehrt folgt daraus: Besteht ein weitgehendes Versetzungsrecht ist der Kreis der einzubeziehenden Mitarbeiter größer.

Sozialdaten: Für den Arbeitgeber ist es Pflicht, die Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeit Unterhaltspflichten oder Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Wie er sie dann aber innerhalb eines Punktesystems gewichtet, bleibt ihm überlassen. Grob fehlerhaft und damit vor Gericht angreifbar wäre es nur, wenn keine Ausgewogenheit zu erkennen ist. So darf das Schwergewicht auf die Unterhaltspflichten gelegt werden, urteilte das BAG (Az: 2 A ZR 142/99). Da der Gesetzgeber Beurteilungsspielraum eingeräumt habe, komme der Dauer der Betriebszugehörigkeit keine Priorität zu.

Kleinbetriebe: Selbst für Mitarbeiter in Kleinbetrieben (10 oder weniger Mitarbeiter) kann unter Umständen das Prinzip der gerechten Sozialauswahl gelten, obwohl das Kündigungsschutzgesetz eigentlich nicht anzuwenden ist. Das geht aus einem weiteren Urteil des Bundesarbeitsgerichtes hervor. Ein 52-jähriger Berliner war 18 Jahre beschäftigt gewesen und sollte gefeuert werden – vier jüngere Kollegen wollte der Chef behalten, darunter seinen eigenen noch ledigen Sohn. Dagegen zog der Mann bis vor das oberste deutsche Arbeitsgericht – und fand Gehör. Auch in Kleinbetrieben, so urteilten die Richter, sei ein „Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme“ zu erwarten. Wenn eine Kündigung dem nicht entspreche, würde sie gegen Treu und Glauben verstoßen und sei deshalb unwirksam (Az: BAG 2 AZR 15/00).

Besonderer Schutz: Unter besonderem Kündigungsschutz stehen Auszubildende, Schwerbehinderte, Wehr- und Zivildienstleistende, Betriebsratsmitglieder sowie Schwangere und Mütter von Neugeborenen. Für diese Mitarbeiter bestehen Sondervorschriften, die eine Entlassung erschweren. So gilt für Schwangere eine Kündigungshürde, wenn sie zum Zeitpunkt der Kündigung bereits schwanger waren. Um das zu klären wird vom voraussichtlichen – ärztlich bescheinigten – Entbindungstermin zurück gerechnet, und zwar um 280 Tage. Liegt das dann errechnete Datum vor dem Kündigungszeitpunkt, ist sogar eine Mitarbeiterin in der Probezeit nur erschwert kündbar.

Gekündigt: Das sollten Sie beachten

Gekündigt? Dann sollten Sie vor allem einen kühlen Kopf bewahren. Denn wer sich geschickt wehrt, hat gute Chancen, seinen Job zu verteidigen.

  1. Ist eine schriftliche Kündigung zugegangen? Die Schriftform ist seit Mai 2000 Pflicht, und der Arbeitgeber muss den Zugang beweisen können. Auch eine Kündigung per Fax erfüllt nicht die Formerfordernisse.
  2. War der Aussteller zur Kündigung berechtigt? Ein Sachbearbeiter aus der Personalabteilung kann z.B. nur dann wirksam kündigen, wenn er eine Vollmacht im Original beifügt.
  3. Wurde der Betriebsrat angehört? Der Arbeitgeber muss die Gründe für die Kündigung mitteilen, außerdem muss der Betriebsrat vor einer ordentlichen Kündigung eine Woche Zeit für eine Stellungnahme haben.
  4. Ist das Kündigungsrecht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder den Arbeitsvertrag eingeschränkt? Wird die Frist z.B. falsch berechnet, bleibt die Kündigung zwar wirksam, es besteht aber länger Anspruch auf Gehalt.
  5. Ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar? Voraussetzungen: Der Betrieb hat regelmäßig mehr als fünf Beschäftigte, der Arbeitnehmer ist länger als ein halbes Jahr im Betrieb. Wenn ja: Innerhalb von drei Wochen muss Kündigungsschutzklage eingereicht werden.
  6. . Hat der Arbeitgeber beachtet, dass die Kündigung nur das letzte Mittel sein darf? Wenn z.B. im Betrieb viele Überstunden geschoben werden, hat der Chef schlechte Karten. Außerdem: Es muss eine gerechte Sozialauswahl getroffen werden.
  7. Gilt besonderer Kündigungsschutz? Schwangere können z.B. noch zwei Wochen nach der Kündigung den Arbeitgeber über ihren Zustand informieren – maßgeblich für das absolute Kündigungsverbot bleibt der Beginn der Schwangerschaft (Voraussichtlicher Entbindungstermin minus 280 Tage).

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