Riester-Rente: Hütchenspieler-Award 2008 für “Focus Money”

Die Finanzzeitschrift “Focus Money” gehört für mich zu den Blättern, die Preise für Banken und Versicherungen verteilen wie bolivianische Universitäten Doktor-Titel.

Heute möchte ich “Focus Money” etwas zurückgeben, und zwar den “Hütchenspieler-Award 2008, powered by Finblog”. Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle.

Verliehen wird dieser Preis für die Titelgeschichte im aktuellen Heft 48 von “Focus Money”. Jeder Hütchenspieler zieht vor so viel Atem beraubender Kunststückchen den Hut.

Die Titelgeschichte wird also wie folgt angepriesen:

Staatlich geprüft und gefördert
Wenn Sie in diesen Policen
täglich fünf Euro ansparen
besitzen Sie in 18 Jahren 100.000 Euro
Mit Kapitalgarantie

Selbstverständlich, wie sollte es kurz vor Jahresende anders sein, bewirbt “Focus Money” Riester-Verträge. Eindrucksvoll, so die Award-Jury, zeigt “Focus Money”, wie gut sich die staatlich geförderte Altersvorsorge eignet, Verbraucher schwindelig zu rechnen und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Sagenhafte 11,5 Prozent Rendite p.a. würde es bedeuten, wenn ein Sparer dank “Focus Money” in 18 Jahren mit 5 Euro täglich (150 Euro monatlich) auf 100.000 Euro kommt. Schauen wir es im Detail an, wie das große Focuspokus funktioniert.

1)”Staatlich geprüft und gefördert”: Damit der gesunde Menschenverstand nicht sofort “Vorsicht, Falle” denkt, verweist “Focus Money” auf den Staat. Nur bedeutet das Zertifikat bei Riester-Verträgen nicht etwa, dass die Aufsichtsbehörde z.B. Werbeversprechen oder Rentabilität überprüft hat – das Zertifikat besagt lediglich, dass die formalen Fördervoraussetzungen gegeben sind.

2) “in 18 Jahren, mit Kapitalgarantie”: Noch mehr Valium fürs Riester-Volk. Es gibt auch bei sensationeller Geldvermehrung eine Kapitalgarantie. Stimmt grundsätzlich, doch muss der Erhalt der gezahlten Beträge lediglich bei Beginn der Rentenphase garantiert werden, keineswegs nach 18 Jahren. Die Focuspokus-Aussage wäre nur dann richtig, wenn nach den 18 Jahren Spardauer zugleich die Rentenphase beginnt.

Warum eigentlich 18 Jahre? Lesen wir Innenteil weiter. Da verraten die redaktionellen Hütchenspieler etwas mehr, zum Teil sehr kleingedruckt.

3) “zwei Kinder, 2006 und 2008”: Um die staatliche Förderung nach oben zu treiben, hat die Familie natürlich zwei Kinder, ganz frisch sozusagen. Für das 2008 geborene Kind gibt es schon 300 Euro Kinderzulage, für das ältere nur 185 Euro jährlich.


4) “Bruttoeinkommen 100.000 Euro”:
Damit der Riester-Vertrag nicht nur mit Kinderzulagen, sondern auch noch mit einer Steuerersparnis schöngerechnet werden kann, unterstellt Focuspokus ein Bruttoeinkommen von 100.000 Euro jährlich. Das Durchschnittseinkommen eines Bundesbürgers liegt bei etwa 35.000 Euro Brutto. In der Berechnung wird diese Steuerersparnis dem Riester-Vertrag gutgeschrieben, obwohl sie vom Finanzamt ausgezahlt würde.


5) “Abgeleiteter Riester-Anspruch”:
Nicht einen, sondern gleich zwei Riester-Verträge sollen die 100.000-Euro-Kandidaten abschließen, damit Mutti (natürlich Hausfrau) ohne Eigenbetrag die Grundzulage  einheimsen darf.
6) “Ungeförderter Riester-Fondsparplan”: Neben zwei geförderten Riester-Verträgen soll die Familie noch einen dritten ohne Förderung abschließen und darin zusätzlich einzahlen, um auf die 100.000 Euro nach 18 Jahren zu kommen. Sollte das der Vertriebsalltag sein, so ist klar, warum die Zahl der Riester-Verträge auf über 10 Millionen gestiegen ist: Manche Familien haben gleich mehrere davon.

7) “Angenommene Rendite”: Mit Zulagen allein wird man noch nicht reich, ein wenig Rendite muss die Geldanlage auch abwerfen. Wie viel das sein muss, hat Hokusfocus fast beiläufig in einer winzigen Fußnote versteckt: 7,5 Prozente Rendite p.a., 18 Jahre lang. Das wäre die Beitragsrendite, nach Abzug der Kosten für Fonds oder der Versicherung. Die Perfomance des Fonds oder Versicherung müsste dann etwa bei munteren 9 Prozent p.a. liegen.

8) “Verfügen über fast 103.000 Euro”: Sollte ein Riester-Sparer nach 18 Jahren über sein Guthaben verfügen wollen, zahlt er nicht nur kräftig Steuern, sondern auch die Förderung zurück. Ansonsten hat er ein theoretisches Guthaben mit 100prozentiger Steuerpflicht im Fall der Rentenauszahlung. Das Thema Steuern hat Lokusfocus deshalb lieber gleich ganz beiseite gelassen.

Aber warum eigentlich 18 Jahre? Eine Antwort könnte sein, dass mit dieser absurden Focuspocus-Hütchenspieler Rechnung nach 18 Jahren irgendwie die Zahl 100.000 Euro auftaucht.

Die andere Antwort: Die Rechnung funktioniert auch nur 18 Jahre lang. So lange kann man Riester-Verträge mit Kinderzulagen schönrechnen – die Kinderzulagen sind aber an den Kindergeldanspruch geknüpft, der mit Volljährigkeit generell entfällt. Und geht Mutti dann wieder ein bisschen arbeiten, müsste sie ebenfalls eigene Beiträge zahlen.

Nach 18 Jahren wird die Familie feststellen, dass die Eigenbeiträge sich vervielfachen, dass der Fonds oder die Versicherung keine 9 Prozent Perfomance jährlich schafft und die Guthaben auf den diversen Riester-Verträgen ziemlich kläglich aussehen. “Focus Money”, Preisträger für Hütchenspieler-Journalismus 2008, ist bis dahin vermutlich längst eingestellt worden. Es wird aber bestimmt ein anderes Blatt geben, was dazu raten wird, die unrentablen Riester-Verträge zu kündigen und das Geld lieber mit sensationeller Rendite woanders anzulegen.

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5 Gedanken zu „Riester-Rente: Hütchenspieler-Award 2008 für “Focus Money”

  1. Pr Antworten

    @ AL
    genau der Gedanke kam mir auch 😉

    Aber "Bild Money" wirds vermutlich nicht geben:

    – die Redakteure arbeiten alle schon beim Focus
    – AWD konzentriert sein Werbebudget nur auf eine Zeitschrift
    – die Leser k

  2. Kommentator Antworten

    Ich habe da auch einen Finanztipp, den ich seit Jahren anwende und mit dem ich eine recht solide Finanzierung meines Lebens auf die Beine stelle: Ich spare jede Woche 3,20 Euro und kaufe keinen Locus.
    Das ganz Tolle daran ist: Bei steigenden Preisen kann ich in Zukunft durch Nichtkaufen sogar noch viel mehr Geld sparen!
    (Den letzten Satz schenke ich der Locus-Redaktion – so in der Richtung k

  3. Al Antworten

    Wow, eine angenommene durchschnittliche (!) Rendite von 7,5% nach Abzug aller Kosten, die Frau bleibt 18 Jahre lang zuhause (Frau von der Leyen wird sich freuen) und das Einkommen betr

  4. Dirk Hagendorf Antworten

    Soooo wahr und trotzdem auch noch lustig! Prima geschrieben und verpackt!

    Steht das Ergebnis eigentlich vor oder nach Kosten? 😉

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