Gestört: Aachener Bausparkasse kündigt Bausparverträge nach § 313 BGB

Die Aachener Bausparkasse kündigt derzeit Bausparverträge mit einer ungewöhnlichen Begründung: „Störung der Geschäfts­grund­lage“. Damit ist die Nied­rigzins­phase gemeint. Die Kündigung ist aber vermutlich rechts­widrig. Es gibt mehrere Urteile von Oberlandesgerichten, die kein Kündigungsrecht einer Bausparkasse sahen.

Die Bausparkasse Aachen geht laut Stiftung Warentest gegen Kunden vor, die einen Vertrag haben, der ihnen noch Sparzinsen von 2 Prozent und bei Darlehens­verzicht noch einen zusätzlichen Zins­bonus bringt. Die Kündigung bereite die Aachener mit dem Angebot für ein „Tarif-Update“ vor: Der Kunde soll seinen alten Bauspar­vertrag gegen einen neuen tauschen, der künftig nur mit 0,15 Prozent p.a. verzinst wird.

Entweder der Kunde nimmt das Angebot zum Tarifwechsel inner­halb von zwei Wochen an, oder die Aachener Bausparkasse kündigt wegen „Störung der Geschäfts­grund­lage“. Sie beruft sich auf die Paragrafen 313 (“Störung der Geschäftsgrundlage”) und 314 (“Kündigung von Dauerschuldverhältnissen”) in Verbindung mit Paragraf 490 BGB, der das “Außerordentliche Kündigungsrecht” regelt.

§ 313 BGB: Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Nach Urteilen der Ober­landes­gerichte Celle (Az. 3 U 86/16), Karls­ruhe (Az. 17 U 185/15) und Stutt­gart (Az. 9 U 171/15) dürfen sich Bausparkassen aber nicht auf eine Störung der Geschäfts­grund­lage durch die Nied­rigzins­phase berufen. Zudem hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (21.02.2017), dass eine fristlose Kündigung nur möglich, wenn die Vertragsfortführung unzumutbar wäre. Und das müsste belegt werden.

Ein die Kündigung rechtfertigender wichtiger Grund liegt nur vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages nicht zugemutet werden kann.

Wer seinen Bausparvertrag bei der Aachener Bausparkasse behalten will, kann eine Feststellungsklage einreichen, dass der Vertrag nicht durch Kündigung beendet wurde.

Das Unternehmen befindet sich im Besitz mehrerer Versicherungsunternehmen. Derzeit sind folgende Unternehmen laut Wikipedia an ihr beteiligt:

ARAG SE, Düsseldorf (seit 1986)
Barmenia, Wuppertal (seit 1998)
Continentale Krankenversicherung, Dortmund (seit 1989)
Gothaer Versicherungsbank, Köln (seit 1965)
HUK-Coburg, Coburg (seit 2012)
LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster, Münster (seit 1987)
Mecklenburgische, Hannover (seit 1986)
Universa, Nürnberg (seit 1957)
WWK, München (seit 1989)

Klage gegen Aachener Bausparkasse

Update 1.8.2017:  Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat Klage gegen die Aachener Bausparkasse AG eingereicht. Nach Auffassung der Marktwächterexperten ist die Kündigung von Bausparverträgen unter Bezug auf die Paragrafen 313 und 314 BGB unzulässig: Die für eine
solche Kündigung erforderliche Störung der Geschäftsgrundlage oder der wichtige Kündigungsgrund liegen nicht vor. „Bausparkassen müssen ihre abgeschlossenen Verträge erfüllen, auch wenn diese
aufgrund gesunkener Zinsen unrentabel geworden sind“, sagt Philipp von Bremen, Teamleiter Marktwächter Finanzen bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Ein Recht, in laufende Bausparverträge einzugreifen, hat nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“, erläutert von Bremen.

Die Vorgehensweise der Aachener Bausparkasse sei bislang einzigartig und
besonders auffällig: Zunächst stellte sie ihre Kunden vor die Wahl, entweder ein Tarifwechselangebot mit deutlich geringerer Verzinsung anzunehmen oder sich den Bausparvertrag auszahlen zu lassen. Für den Fall, dass nach einer Frist keines von beiden geschehe, wurde die nachfolgende Kündigung des Bausparvertrags angedroht und dann auch vollzogen.

Zunächst hatten die Marktwächterexperten die Aachener Bausparkasse im vergangenen Mai abgemahnt. Die Bausparkasse gab jedoch die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab und hält ihre Kündigungen für rechtens. „Die strittige Rechtsfrage wollen wir nun verbindlich auf dem Weg einer Verbandsklage klären lassen, auch um Kunden anderer Bausparkassen vor dem kritisierten Anbieterver-
halten frühzeitig zu schützen“, so von Bremen.

Eine erfolgreiche Verbandsklage würde die Aachener Bausparkasse verpflichten, künftig Kündigungen auf Grundlage der §§ 313 und 314 zu unterlassen und den Anbieter verpflichten betroffene Verbraucher über die Unzulässigkeit erfolgter Kündigungen zu informieren. Aber: Das würde nicht bedeuten, dass bereits ausgesprochene Kündigungen unwirksam werden. Die Kunden müssten schon selber aktiv werden, und eine Feststellungsklage einreichen.

 

 

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